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Klassifikation
- Rucknystagmus (= Jerk Nystagmus): sakkadisch, langsamen Bewegung von Fixation weg und schnelle, korrigierende Sakkade zur Refixation
- Nystagmus-Richtung gemäss korrigierender Sakkade
- Pendelnystagmus: nicht sakkadisch, da langsame Bewegungen in beide Richtungen mit gleicher Geschwindigkeit
Untersuch
- Augen stabil in Primärposition?
- Abnormale Augenbewegungen in Kardinalpositionen?
- einseitig oder beidseitig?
- Bewegungen in beiden Augen gleich oder dissoziiert?
- ausgelöst durch bestimmte Blickrichtung?
- Phasen
- nur langsame?
- langsame und schnelle?
- nur schnelle?
- Besteht ein Nullpunkt?
Abklärungen
MRI notwendig
- falls unklar ob kongenital oder erworben
- Beginn des Nystagmus nach 6.-8. Lebensmonat
- Dissoziierte Nystagmen
- Rein vertikal oder torsionale Nystagmen (ohne hereditäre Genese)
- See-Saw Nystagmus
- Spasmus nutans
- Blickrichtungsnystagmus / Rebound-Nystagmus
- Vestibulärer Nystagmus
- Bruns Nystagmus
- Downbeat Nystagmus
- Upbeat Nystagmus
- Konvergenz-Retraktions-Nystagmus
- Periodisch alternierender Nystagmus (PAN)
- Sakkadische Intrusionen/Oszillationen
Kein MRI notwendig
- Congenital idiopathic nystagmus (CIN)
- Sensory deficit nystagmus (SDN) = CIN mit Pathologie
- Hinweise auf verzögerte visuelle Entwicklung?
- Augenpathologien: Hornhaut-Trübung, Katarakt, Aniridie, Kolobom, Mikrophthalmie, Albinismus
- Ausnahme zB. bei V. a. Optikushypoplasie
- Sensory deficit nystagmus (SDN) = CIN mit Pathologie
- Fusion-Maldevelopment Nystagmus Syndrom (Nystagmus latens)
- nur bei Okklusion eines Auges
- Schlagrichtungsumkehr bei Okklusion des anderen Auges
- mit frühkindlichem Schielsyndrom assoziiert
Lokalisierende Nystagmus-Formen
- Down = Cervicomedullary
- Upbeat = Vermis
- Convergence-Retraction = Dorsal midbrain
- See-Saw = Third ventricular area / parasellar region
- Bruns = Cerebellopontine angle
- Rebound, PAN = Cerebellum
Physiologischer Nystagmus
Endstellungsnystagmus
- ausgelöst bei extremem Blick zur Seite (>45°)
- feinschlägiger Rucknystagmus mittlerer Frequenz
- Schnelle Phase schlägt in Blickrichtung
Optokinetischer Nystagmus
- Rucknystagmus, tritt zB beim Blick aus Zugfenster auf
Physiologischer vestibulärer Nystagmus
- Rucknystagmus,
- ensteht durch geänderten Imput von Vestibulariskernen zu den horizontalen Blickzentren
- Kann durch kalorische Stimulation ausgelöst werden
Voluntary Nystagmus
Pathologischer Nystagmus
Congenitaler idiopathischer Nystagmus (CIN)
- Sensory deficit nystagmus (SDN) = CIN mit Pathologie
- = Sensorischer Defektnystagmus
- Genetisch determiniert, tritt im 2.-3. Lebensmonat auf und persistiert lebenslänglich, schwächt sich evtl. mit zunehmendem Alter etwas ab
- Pendelnystagmus in Primärposition
- bei Blick zur Seite Übergang in Rucknystagmus
- bei Auf-und Abblick bleibt er in der horizontalen Ebene
- Nullpunkt vorhanden, evtl. Kopfzwangshaltung
- Keine Oszillopsie, meist leicht reduzierter Visus, Verbesserung durch fusionale Konvergenz möglich -> Versuch mit Basis-aussen-Prismen-Korrektur. Chirurgische Korrektur gemäss Kestenbaum.
- Abklärungen:
- Klinische Hinweise für Visusminderung?
- Falls nicht offensichtlich – suchen nach
- Optikusneuropathie: Optikushypoplasie? ggf. Bildgebung, endokrinologische Abklärung
- foveale Hypoplasie: häufig in Albinismus, Aniridie
- retinale Dystrophie
Spasmus nutans
- idiopathisch, aber ähnliches Bild durch Gliome der vorderen Sehbahn/ Chiasmagliom möglich
- Ausschluss mittels Bildgebung
- auch durch retinale Dystrophien, neurodegenerative Erkrankungen
- Auftreten typischerweise im ersten Lebensjahr, spontane Rückbildung meist im Alter von 3 Jahren (wenn idiopathisch)
- Meist unilateraler oder asymmetrischer bilateraler horizontaler Nystagmus mit kleiner Amplitude und hoher Frequenz
- Meist guter Visus
- Häufige Trias: Nystagmus, Kopfnicken/ ruckartige Kopfbewegungen und Torticollis.
- Amblyopie und Strabismus
Nystagmus latens
- Mit frühkindlichem Innenschielen und dissoziierter Vertikaldeviation assoziiert
- tritt nur bei einseitig abgedecktem Auge auf (Nystagmus im nicht abgedeckten Auge)
- Augen stabil bei Fusion
- Horizontaler Nystagmus schlägt in die Richtung des fixierenden, nicht abgedeckten Auges
- „Manifester“ Nystagmus latens wenn beide Augen geöffnet, aber nur 1 Auge zum Sehen benutzt wird (Amblyopie oder z.B. wenn verdeckt bei Spaltlampen-Untersuch
- bei Visusprüfung 1 Auge mit Pluslinse vernebeln, nicht abdecken!
- Keine Bildgebung nötig
(Peripherer) vestibulärer Nystagmus
- erworbener Nystagmus
- Horizontaler, rotatorischer Rucknystagmus in Primärposition, unverändert in den verschiedenen Blickrichtungen
- Schlägt in Richtung der gesunden Seite, weg von Lasion
- oft zusammen mit Schwindel, Übelkeit und Erbrechen
- Fixation kann Nystagmus abschwächen
- Ätiologie: Erkrankungen des Vestibularapparates (Labyrintitis, M. Menière, vaskulär, traumatisch, toxisch)
- assoziiert mit Tinnitus, Schwindel und Schwerhörigkeit
- Bildgebung indiziert!
Periodisch alternierender Nystagmus (PAN)
- Konjugierter, strikt horizontaler Rucknystagmus in Primärposition, der periodisch (90 sek.) seine Richtung ändert, crescendo-decrescendo Muster
- Zwischen den Episoden liegt eine ruhige Phase von ca. 4-20 Sekunden, in denen die Augen langsame Bewegungen, häufig Pendelbewegungen aufweisen
- jeden strikt horizontalen Nystagmus in Primärposition während mindestens 2 Minuten beobachten!
- Ursachen: isoliert kongenital, Kleinhirnerkrankungen, Erkrankungen am kranio-zervikalen Übergang (z.B. Chiari Malformation), Ataxia teleangiectatica (Louis-Bar-Syndrom) und Medikamente wie Phenytoin
- Bildgebung indiziert!
Konvergenz-Retraktions-Nystagmus
- durch Kontraktion insbesondere der M. recti mediales
- Ursachen: Läsionen des prätektalen Gebiets = dorsales Mittelhirn, wie Pinealom und vaskuläre Erkrankungen (dorsales Parinaud-Mittelhirnsyndrom, arterio-venöse Malformationen im Hirnstamm, MS)
- Bildgebung indiziert
Downbeat-Nystagmus
- häufigste Form eines zentralen vestibulären Nystagmus
- Vestibulocerebellum betroffen
- Ursache: Läsionen des kraniozervikalen Übergangs (cervicomedullary junction) wie Arnold-Chiari Typ 1 Malformation und Syringobulbie, Medikamente (Lithium, Phenytoin, Carbamazepin, Barbiturate), Wernicke-Encephalopathie, Demyelinisierung, Hydrocephalus
- Bildgebung indiziert!
Upbeat-Nystagmus
- Läsionen in Hirnstamm (Medulla), Vermis-Läsionen
- Demyelinisation, cerebelläre Degeneration, Rauchen, Medikamente, Wernicke-Encephalopathie
- Bildgebung indiziert!
See-Saw-Nystagmus (Schaukelnystagmus)
- Pendelnystagmus, bei dem ein Auge angehoben wird und einwärts rotiert, während das andere Auge sinkt und nach aussen rotiert und anschliessend vice versa.
- Ursachen: paraselläre/supraselläre Tumoren (z.B. Kraniopharyngeom), Syringobulbie, Hirnstamminsult
- Bildgebung indiziert!
Dissoziierter Nystagmus
- asymmetrischer Nystagmus zwischen den Augen (unterschiedliche Schlagrichtung, Amplitude, Frequenz, …);
- immer pathologisch!
- Ätiologie: posteriore Fossa-Erkrankung, MS
- Bildgebung indiziert!
Blickrichtungsnystagmus / Rebound-Nystagmus
- Der Nystagmus tritt beim Blick zur Seite auf, unter 35°, nicht erschöpflich (im Gegensatz zum Endstellnystagmus, der ab 35° zur Seite auftritt und physiologisch und erschöpflich ist)
- Ändert seine Schlagrichtung je nach Blickrichtung
- Abwesend in Primärposition
- Rebound-Nystagmus: nach langem Blick zur Seite schwächt sich Nystagmus ab, wenn Blick zurück in Primärposition geht gibt es einen Rucknystagmus in Gegenrichtung
- Ursachen
- toxisch von Drogen oder Medikamenten
- Alkohol, Antikonvulsiva, Sedativa, Antidepressiva
- Cerebellum oder Hirnstamm mit Stroke, Demyelinisation oder Tumor
- toxisch von Drogen oder Medikamenten
- Bildgebung nötig!
Bruns-Nystagmus
- Kombinierter Nystagmus durch Läsion der PPRF und des vestibulären Nukleus
- Beim Blick zur Seite der Läsion: blickparetischer Nystagmus:
- grobschlägiger, horizontaler Rucknystagmus (niedrige Frequenz, hohe Amplitude, schnelle Phase zu der Läsion hin)
- durch Läsion des horizontalen Blickzentrums
- Beim Blick von der Läsion weg -> vestibulärer ‚Imbalance‘ Nystagmus:
- feinschlägiger, hochfrequenter, vestibulärer Nystagmus (niedrige Amplitude, hohe Frequenz, schnelle Phase von der Läsion weg)
- durch Läsion der vestibulären Nuclei auf der Seite der Läsion
- Ursachen: Kleinhirnbrückenwinkeltumoren, wie Akustikusneurinom oder Meningeome
- Bildgebung indiziert!
Sakkadische Intrusionen/Oszillationen
Kippdeviationen (square-wave jerks)
- kleine, konjugierte, nicht unterdrückbare Sakkaden vom Zielobjekt weg und wieder zurück im zeitlichen Abstand von ~200ms
- Ursache: z.B. zerebelläre Erkrankungen, PSP
- CAVE: tritt auch bei Gesunden in Dunkelheit, bei Lidschluss und mit zunehmendem Alter auf
Grosse Kippdeviationen (macrosquare-wave jerks)
- grosse, konjugierte, beidseitige Sakkaden vom Zielobjekt weg und wieder zurück im Abstand von 70 – 150ms
- Ursache: z.B. Multiple Sklerose, Charcot-Marie-Tooth Syndrom
Ocular Flutter
- sehr hochfrequentige (10-15Hz), kleine Amplitude, horizontale Sakkaden ohne intersakkadisches Intervall
- Ursachen: siehe Opsoklonus
Opsoklonus
- schnelle chaotische Sakkaden in alle Richtungen, kein intersakkadisches Intervall
- persistiert während des Schlafes!
- Ursachen: Neuroblastom, postinfektiös bei Erwachsenen, Virusencephalitis, myoklonische Enzephalopathie bei Kleinkindern, transient (idiopathisch) bei gesunden Neugeborenen, paraneoplastisches Syndrom; medikamenteninduziert (Lithium, Amitriptylin, Phenytoin)
- Abklärungen: Tumorsuche, paraneoplastische Syndrome
- Kinder: Neuroblastome
- Erwachsene: Kleinzelliges Lungenkarzinom, Brustkrebs, Ovarialkrebs
Ocular bobbing
- beim bewussstlosen Patienten rasche, konjugierte Augenbewegungen nach unten mit einer langsamen Rückbewegung in die Primärposition
- Ursachen: pontine Läsionen, metabolische oder toxische Erkrankung
Okulogyre Krise
- Spastische Blickabweichung mit unwillkürlicher Abweichung beider Augen nach oben oder zur Seite (Blickkrampf) bei bewussten Patienten, Dauer von 10 Min. bis 24 Std., assoziiert mit Dystonie
- Ursachen: (Neuroleptika) Medikamente, neurometabolische und neurodegenerative Erkrankungen, Hirnschäden
- Behandlung: anticholinerge oder dopaminerge Medikamente
Oszillopsie
- Umwelt wird als zitternd oder schwankend wahrgenommen
- Myokymie des Musculus obliquus superior
- erworbener Nystagmus
- selten beim kongenitalen Nystagmus
Quellen
- EyeWiki Nystagmus
- The Wills Eye Manual: Office and Emergency Room Diagnosis and Treatment of Eye Disease; Nika Bagheri MD, Brynn Wajda MD, et al; Lippincott Williams&Wilkins; 7. Auflage (2016)
- Kanski’s Clinical Ophthalmology: A Systematic Approach; Jack J. Kanski MD, Brad Bowling MD; Saunders Ltd.; 8. Auflage (2015)
- Jacobson DMCorbett JJ Nystagmus. Semin Ophthalmol. 1987;2183- 208
- Käsmann-Kellner, Barbara. (2017). Nystagmus: Klinische Charakteristika, therapeutische Optionen. Spektrum der Augenheilkunde. 10.1007/s00717-017-0333-1.