Doppelbilder

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Vorgehen

  1. Monokular oder binokular?
    • Monokular: Doppelbilder vorhanden wenn 1 Auge abgedeckt ist: fast immer okulär bedingt, Visustest mit stenopäischer Lücke
    • Binokular: Doppelbilder verschwinden wenn jeweils 1 Auge abgedeckt wird (bei beiden Augen)
  2. Wenn binokular: konstante oder vorübergehende Doppelbilder?
  3. Wenn konstante Doppelbilder: paretisch oder restriktiv?
  4. Wenn paretisch:
  5.  Augenfehlstellungen (Un-/Cover-Tests)?

Monokulare Doppelbilder

  • Augenerkrankungen
    • zweites Bild ist wie ein Schatten, Doppelbilder sind meistens überlappend, Doppelbilder verschwinden meist beim Vorhalten einer stenopäischen Lücke
    • hoher Astigmatismus
    • Iridotomie/Iridodialyse
    • Katarakt
    • dezentrierte Intraokularlinse
    • falsche Brillenkorrektur
    • Korneaerkrankungen, z.B. Keratokonus
    • Makulaödem

Binokulare Doppelbilder

  • Muskel- und Orbitaerkrankungen
    • restriktive Myopathien
      • endokrine Orbitopathie
      • Myositis (restriktiv oder paretisch)
      • mitochondriale Myopathie, z.B. chronische progressive externe Ophthalmoplegie (= CPEO)
    • paretische Myopathien
      • Myositis
      • Myotoxizität nach retrobulbärer oder peribulbärer Anästhesie
    • Orbitopathien
  • Erkrankung des neuromuskulären Übergang
    • Myasthenia gravis, DD: idiopathisch, medikamenteninduziert (u.a. durch Penicillamine, Aminoglycoside, Betablocker, Chlorpromazine, …)
  • Nervenerkrankung
    • N. III-Parese
      • kompressiv: Aneurysma (in 1/3 der Pat., häufig am Übergang zwischen A. carotis interna und A. communicans posterior), Tumore (z.B. Hypophysentumor, Keilbeinflügelmeningeom), erhöhter intrakranieller Druck mit Uncusherniation (-> lichtstarre weite Pupillen beim bewusstlosen Pat.)
      • ischämisch: Atherosklerose, Diabetes mellitus, Hypertension, Arteriitis temporalis
      • entzündlich: MS, viral, postviral
      • Trauma
    • N. IV-Parese
      • kongenital (unilateral, häufig)
      • traumatisch (bilateral oder unilateral)
      • ischämisch (unilateral!): Atherosklerose, Diabetes mellitus, Hypertension, Arteriitis temporalis
      • kompressiv: Tumore im Mittelhirn, in der Pinealisregion oder im Sinus cavernosus
      • entzündlich (selten): infektiös oder postinfektiöse Neuritis
    • N. VI-Parese
      • ischämisch (häufig, unilateral): Atherosklerose, Diabetes mellitus, Arteriitis temporalis
      • kompressiv (häufig, unilateral oder bilateral): Keilbeinflügelmeningeom, A. carotis interna Aneurysma im Sinus cavernosus, Hypophysentumore, nasopharyngeale Karzinome, Metastasen mit Invasion des Sinus cavernosus
      • entzündlich (selten, unilateral): Sarkoidose, viral, Meningitis, Mastoiditis, Sinusitis sphenoidalis
      • erhöhter intrakranieller Druck jeder Ätiologie
      • traumatisch (unilateral oder bilateral)
    • Unilaterale multiple Nervenparese
      • Sinus cavernosus Syndrom: durch Hypophysenapoplex, Sinus cavernosus Thrombose, Carotis-Sinus cavernosus-Fistel, Aneurysma der A. carotis interna, Infekt, Entzündung, Tumor
      • Orbita Apex-Syndrom: gleiche Ursachen und Symptome wie Sinus cavernosus-Syndrom, aber zusätzlich Optikusneuropathie!
    • Bilaterale multiple Nervenparese
      • bilaterales Sinus cavernosus-Syndrom
      • bilaterales Apex-Syndrom
      • Meningitis
      • Guillain-Barré-Syndrom/ Miller Fischer Syndrom (vermutlich postinfektiöse autoimmune demyelinisierende Polyneuropathie, die v.a. die Hirnnerven und die peripheren motorischen Nerven betrifft)
      • Wernicke Encephalopathie (Thiamin = Vitamin B1-Mangel, der zu einer Degeneration der okulomotorischen Hirnnerven und den vestibulären Nuclei im Hirnstamm führt -> Ataxie, Verwirrung, Ophthalmoplegie)
  • Hirnerkrankung
    • Supranukleäre Augenbewegungsstörungen (führen zu Blickparesen, die durch das Fehlen einer Diplopie und einen normalen vestibulookularen Reflex gekennzeichnet sind)
      • Horizontale Blicklähmung durch Pons-Läsionen
        • PPRF-Läsion (= pontine paramediane retikuläre Formatio -> Verbindung zum ipsilateralen N. abducens. Bei Läsion der PPRF => ipsilaterale horizontale Blickparese)
        • MLF-Läsion = Internukleäre Ophthalmoplegie (MLF = medial longitudinal fasciculus) -> verminderte ipsilaterale Adduktion beim Blick auf die Gegenseite und Abduktionsnystagmus des kontralateralen Auges; Adduktion besser/normal bei Konvergenz!); ev. Skew deviation, vertikale Diplopie, Richtung- und Upbeat-Nystagmus. Ausschluss Myasthenia gravis!
          • posteriore Läsion (Pons): erhaltene Konvergenz
          • anteriore Läsion (Mittelhirn): WEBINO = wall-eyed bilateral INO: beeinträchtigte Konvergenz
          • Hirnstamm- (Mittelhirn und Pons) Infarkt, Tumor, Entzündung, Infekt oder MS
          • Wernicke Encephalopathie
          • perniziöse Anämie (Vitamin B12-Mangel)
        • Ipsilaterale kombinierte PPRF- und MLF-Läsion (oder ipsilat. N. abducens und MLF-Läsion) = Eineinhalbsyndrom  = Fischer Syndrom (es ist nur noch die Abduktion des kontralateralen Auges möglich, welches ausserdem einen ataktischen Nystagmus aufweist; vertikale Augenbewegungen intakt)
          • Infarkt (häufigste Ursache)
          • MS
          • Verschluss der A. basilaris
          • pontine Metastasen
      • Vertikale Blicklähmung durch Mittelhirnläsionen (Läsionen des rostralen interstitiellen Nucleus des MLF, der im Mittelhirn unmittelbar dorsal des Nucleus ruber liegt)
        • Progressive supranukleäre Lähmung (= PSP = progressive supranuclear palsy) = Steele-Richardson-Olszewski-Syndrom -> ist eine schwere degenerative Erkrankung = generalisierte Hirnstammdegeneration mit Zerstörung der supranuklären Verbindungen zu den okulomotorischen Nervenkernen. Befunde: supranukleäre Blicklähmung, die zu Beginn primär den Abblick betrifft (und Auftreten von vertikalen Sakkaden) -> „dirty tie“-Syndrom, da Pat. sich beim Essen beschmutzen, weil sie das Essen nicht sehen (DD’s für Sakkadenstörungen nach inferior: PSP, Whipple-Disease, Nieman-Pick); bei Fortschreiten der Erkrankung  ist auch der Aufblick betroffen; horizontale Bewegungen sind schliesslich beeinträchtigt und eine generelle Blicklähmung entwickelt sich; extrapyramidaler Rigor, Gangataxie und Demenz; Konvergenzparalyse.
        • Dorsales Parinaud-Mittelhirnsyndrom (= prätektales Syndrom)-> Parallelstand in Primärposition, supranukleäre Lähmung des Aufblicks, gestörte Konvergenz, grosse Pupillen mit Licht-Nah-Dissoziation, Lidretraktion (Collier-Zeichen), Konvergenz-Retraktions-Nystagmus bei versuchtem Aufblick, Skew deviation
          • Ätiologie in 90%: Pinealistumor; weitere: MS, Infarkt, Trauma
        • Skew deviation (vertikale Bulbusdivergenz konkomitierend oder inkomitierend, ohne Zyklodeviation, durch Ungleichgewicht von pränukleären Imputs, d.h. einer Hirnstammläsion, dessen Ursache keine nukleäre oder faszikuläre N. III oder N.IV-Parese ist)
          • Hirnstamm- (Mittelhirn, Pons oder Medulla) Infarkt, Tumor, Infektion, Entzündung oder MS

Hess-Weiss einer Pat. mit Skew deviation bei St.n. Thalamusinfarkt

CAVE:

  • bei den supranukleären Hirnerkrankungen (PSP, Perinaud-Syndrom) ist die Augenmotilität beim VOR weniger stark eingeschränkt, als bei den absichtlichen Augenbewegungen
  • bei den Ophthalmoplegien anderer Ätiologie (z.B. CPEO = chronisch progressive externe Ohthalmoplegie) ist der VOR gleichermassen wie die absichtlichen Augenbewegungen eingeschränkt

Andere Gründe für Doppelbilder

  • dekompensierter Strabismus
  • dekompensierte Phorien
  • Konvergenzinsuffizienz (primär oder sekundär; DB nur in die Nähe)
  • Konvergenzspasmus (primär oder sekundär; DB schlimmer in der Ferne als der Nähe, Miose, erhöhte Akkommodation)
  • Divergenzinsuffizienz (DB nur in die Ferne)
    • unilaterale oder bilaterale N. VI-Parese durch Tumor
    • Myasthenia gravis (bilaterale M. rectus medialis Parese)
  • zerebrale Diplopie oder Polyopie: jedes Auge sieht die gleichen zwei (oder mehrere) Bilder, es macht kein Unterschied, ob das rechte, das linke Auge abgedeckt ist oder binokular geschaut wird; die Doppelbilder persistieren, auch beim Schauen durch die stenopäische Lücke. Ursache: parieto-occipitale(r) Tumore oder Infarkt oder Migräne

Quellen

  • The Wills Eye Manual: Office and Emergency Room Diagnosis and Treatment of Eye Disease; Nika Bagheri MD, Brynn Wajda MD, et al; Lippincott Williams&Wilkins; 7. Auflage (2016)
  • Kanski’s Clinical Ophthalmology: A Systematic Approach; Jack J. Kanski MD, Brad Bowling MD; Saunders Ltd.; 8. Auflage (2015)
  • Clinical Pathways in Neuro-Ophthalmology An Evidence-Based Approach: Stacy Smith; Andrew G. Lee; Paul W. Brazis; Thieme; 3. Auflage (2018)
  • The Neuro-Ophthalmology Survival Guide: Anthony Pane; Neil R Miller; Michael Burdon; Elsevier; 2. Auflage (2017)
  • EyeWiki Basic Approach to Diplopia