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Vorgehen
- Monokular oder binokular?
- Monokular: Doppelbilder vorhanden wenn 1 Auge abgedeckt ist: fast immer okulär bedingt, Visustest mit stenopäischer Lücke
- Binokular: Doppelbilder verschwinden wenn jeweils 1 Auge abgedeckt wird (bei beiden Augen)
- Wenn binokular: konstante oder vorübergehende Doppelbilder?
- Wenn konstante Doppelbilder: paretisch oder restriktiv?
- restriktiv: Endokrine Orbitopathie? Falls unklar ggf. CT/MRI Orbita
- paretisch: verlangsamte Sakkaden
- Wenn paretisch:
- supranukleär: normales Puppenkopf-Phänomen (=doll’s eye maneuver)
- Dorsales Mittelhirnsyndrom? Progressive supranukleäre Blickparese (PSP)?
- nukleär: Oculomotorius-Parese? Trochlearis-Parese? Abducens-Parese?
- Cave: Myasthenia gravis?
- supranukleär: normales Puppenkopf-Phänomen (=doll’s eye maneuver)
- Augenfehlstellungen (Un-/Cover-Tests)?
Monokulare Doppelbilder
- Augenerkrankungen
- zweites Bild ist wie ein Schatten, Doppelbilder sind meistens überlappend, Doppelbilder verschwinden meist beim Vorhalten einer stenopäischen Lücke
- hoher Astigmatismus
- Iridotomie/Iridodialyse
- Katarakt
- dezentrierte Intraokularlinse
- falsche Brillenkorrektur
- Korneaerkrankungen, z.B. Keratokonus
- Makulaödem
Binokulare Doppelbilder
- Muskel- und Orbitaerkrankungen
- restriktive Myopathien
- endokrine Orbitopathie
- Myositis (restriktiv oder paretisch)
- mitochondriale Myopathie, z.B. chronische progressive externe Ophthalmoplegie (= CPEO)
- paretische Myopathien
- Myositis
- Myotoxizität nach retrobulbärer oder peribulbärer Anästhesie
- Orbitopathien
- orbitale Cellulitis (bakteriell, fungal, viral)
- vaskulär bedingte Orbitopathien: Carotis-Cavernosus-Fistel, Riesenzellarteriitis, Sinus cavernosus Thrombose, orbitales Ischämiesyndrom
- autoimmun bedingte Entzündungen, z.B. M. Wegener, Sarkoidose, Pseudotumor orbitae
- Trauma
- orbitale Tumoren, u.a. Lymphom
- restriktive Myopathien
- Erkrankung des neuromuskulären Übergang
- Myasthenia gravis, DD: idiopathisch, medikamenteninduziert (u.a. durch Penicillamine, Aminoglycoside, Betablocker, Chlorpromazine, …)
- Nervenerkrankung
- N. III-Parese
- kompressiv: Aneurysma (in 1/3 der Pat., häufig am Übergang zwischen A. carotis interna und A. communicans posterior), Tumore (z.B. Hypophysentumor, Keilbeinflügelmeningeom), erhöhter intrakranieller Druck mit Uncusherniation (-> lichtstarre weite Pupillen beim bewusstlosen Pat.)
- ischämisch: Atherosklerose, Diabetes mellitus, Hypertension, Arteriitis temporalis
- entzündlich: MS, viral, postviral
- Trauma
- N. IV-Parese
- kongenital (unilateral, häufig)
- traumatisch (bilateral oder unilateral)
- ischämisch (unilateral!): Atherosklerose, Diabetes mellitus, Hypertension, Arteriitis temporalis
- kompressiv: Tumore im Mittelhirn, in der Pinealisregion oder im Sinus cavernosus
- entzündlich (selten): infektiös oder postinfektiöse Neuritis
- N. VI-Parese
- ischämisch (häufig, unilateral): Atherosklerose, Diabetes mellitus, Arteriitis temporalis
- kompressiv (häufig, unilateral oder bilateral): Keilbeinflügelmeningeom, A. carotis interna Aneurysma im Sinus cavernosus, Hypophysentumore, nasopharyngeale Karzinome, Metastasen mit Invasion des Sinus cavernosus
- entzündlich (selten, unilateral): Sarkoidose, viral, Meningitis, Mastoiditis, Sinusitis sphenoidalis
- erhöhter intrakranieller Druck jeder Ätiologie
- traumatisch (unilateral oder bilateral)
- Unilaterale multiple Nervenparese
- Sinus cavernosus Syndrom: durch Hypophysenapoplex, Sinus cavernosus Thrombose, Carotis-Sinus cavernosus-Fistel, Aneurysma der A. carotis interna, Infekt, Entzündung, Tumor
- Orbita Apex-Syndrom: gleiche Ursachen und Symptome wie Sinus cavernosus-Syndrom, aber zusätzlich Optikusneuropathie!
- Bilaterale multiple Nervenparese
- bilaterales Sinus cavernosus-Syndrom
- bilaterales Apex-Syndrom
- Meningitis
- Guillain-Barré-Syndrom/ Miller Fischer Syndrom (vermutlich postinfektiöse autoimmune demyelinisierende Polyneuropathie, die v.a. die Hirnnerven und die peripheren motorischen Nerven betrifft)
- Wernicke Encephalopathie (Thiamin = Vitamin B1-Mangel, der zu einer Degeneration der okulomotorischen Hirnnerven und den vestibulären Nuclei im Hirnstamm führt -> Ataxie, Verwirrung, Ophthalmoplegie)
- N. III-Parese
- Hirnerkrankung
- Supranukleäre Augenbewegungsstörungen (führen zu Blickparesen, die durch das Fehlen einer Diplopie und einen normalen vestibulookularen Reflex gekennzeichnet sind)
- Horizontale Blicklähmung durch Pons-Läsionen
- PPRF-Läsion (= pontine paramediane retikuläre Formatio -> Verbindung zum ipsilateralen N. abducens. Bei Läsion der PPRF => ipsilaterale horizontale Blickparese)
- MLF-Läsion = Internukleäre Ophthalmoplegie (MLF = medial longitudinal fasciculus) -> verminderte ipsilaterale Adduktion beim Blick auf die Gegenseite und Abduktionsnystagmus des kontralateralen Auges; Adduktion besser/normal bei Konvergenz!); ev. Skew deviation, vertikale Diplopie, Richtung- und Upbeat-Nystagmus. Ausschluss Myasthenia gravis!
- posteriore Läsion (Pons): erhaltene Konvergenz
- anteriore Läsion (Mittelhirn): WEBINO = wall-eyed bilateral INO: beeinträchtigte Konvergenz
- Hirnstamm- (Mittelhirn und Pons) Infarkt, Tumor, Entzündung, Infekt oder MS
- Wernicke Encephalopathie
- perniziöse Anämie (Vitamin B12-Mangel)
- Ipsilaterale kombinierte PPRF- und MLF-Läsion (oder ipsilat. N. abducens und MLF-Läsion) = Eineinhalbsyndrom = Fischer Syndrom (es ist nur noch die Abduktion des kontralateralen Auges möglich, welches ausserdem einen ataktischen Nystagmus aufweist; vertikale Augenbewegungen intakt)
- Infarkt (häufigste Ursache)
- MS
- Verschluss der A. basilaris
- pontine Metastasen
- Vertikale Blicklähmung durch Mittelhirnläsionen (Läsionen des rostralen interstitiellen Nucleus des MLF, der im Mittelhirn unmittelbar dorsal des Nucleus ruber liegt)
- Progressive supranukleäre Lähmung (= PSP = progressive supranuclear palsy) = Steele-Richardson-Olszewski-Syndrom -> ist eine schwere degenerative Erkrankung = generalisierte Hirnstammdegeneration mit Zerstörung der supranuklären Verbindungen zu den okulomotorischen Nervenkernen. Befunde: supranukleäre Blicklähmung, die zu Beginn primär den Abblick betrifft (und Auftreten von vertikalen Sakkaden) -> „dirty tie“-Syndrom, da Pat. sich beim Essen beschmutzen, weil sie das Essen nicht sehen (DD’s für Sakkadenstörungen nach inferior: PSP, Whipple-Disease, Nieman-Pick); bei Fortschreiten der Erkrankung ist auch der Aufblick betroffen; horizontale Bewegungen sind schliesslich beeinträchtigt und eine generelle Blicklähmung entwickelt sich; extrapyramidaler Rigor, Gangataxie und Demenz; Konvergenzparalyse.
- Dorsales Parinaud-Mittelhirnsyndrom (= prätektales Syndrom)-> Parallelstand in Primärposition, supranukleäre Lähmung des Aufblicks, gestörte Konvergenz, grosse Pupillen mit Licht-Nah-Dissoziation, Lidretraktion (Collier-Zeichen), Konvergenz-Retraktions-Nystagmus bei versuchtem Aufblick, Skew deviation
- Ätiologie in 90%: Pinealistumor; weitere: MS, Infarkt, Trauma
- Skew deviation (vertikale Bulbusdivergenz konkomitierend oder inkomitierend, ohne Zyklodeviation, durch Ungleichgewicht von pränukleären Imputs, d.h. einer Hirnstammläsion, dessen Ursache keine nukleäre oder faszikuläre N. III oder N.IV-Parese ist)
- Hirnstamm- (Mittelhirn, Pons oder Medulla) Infarkt, Tumor, Infektion, Entzündung oder MS
- Horizontale Blicklähmung durch Pons-Läsionen
- Supranukleäre Augenbewegungsstörungen (führen zu Blickparesen, die durch das Fehlen einer Diplopie und einen normalen vestibulookularen Reflex gekennzeichnet sind)
Hess-Weiss einer Pat. mit Skew deviation bei St.n. Thalamusinfarkt
CAVE:
- bei den supranukleären Hirnerkrankungen (PSP, Perinaud-Syndrom) ist die Augenmotilität beim VOR weniger stark eingeschränkt, als bei den absichtlichen Augenbewegungen
- bei den Ophthalmoplegien anderer Ätiologie (z.B. CPEO = chronisch progressive externe Ohthalmoplegie) ist der VOR gleichermassen wie die absichtlichen Augenbewegungen eingeschränkt
Andere Gründe für Doppelbilder
- dekompensierter Strabismus
- dekompensierte Phorien
- Konvergenzinsuffizienz (primär oder sekundär; DB nur in die Nähe)
- Konvergenzspasmus (primär oder sekundär; DB schlimmer in der Ferne als der Nähe, Miose, erhöhte Akkommodation)
- Divergenzinsuffizienz (DB nur in die Ferne)
- unilaterale oder bilaterale N. VI-Parese durch Tumor
- Myasthenia gravis (bilaterale M. rectus medialis Parese)
- zerebrale Diplopie oder Polyopie: jedes Auge sieht die gleichen zwei (oder mehrere) Bilder, es macht kein Unterschied, ob das rechte, das linke Auge abgedeckt ist oder binokular geschaut wird; die Doppelbilder persistieren, auch beim Schauen durch die stenopäische Lücke. Ursache: parieto-occipitale(r) Tumore oder Infarkt oder Migräne
Quellen
- The Wills Eye Manual: Office and Emergency Room Diagnosis and Treatment of Eye Disease; Nika Bagheri MD, Brynn Wajda MD, et al; Lippincott Williams&Wilkins; 7. Auflage (2016)
- Kanski’s Clinical Ophthalmology: A Systematic Approach; Jack J. Kanski MD, Brad Bowling MD; Saunders Ltd.; 8. Auflage (2015)
- Clinical Pathways in Neuro-Ophthalmology An Evidence-Based Approach: Stacy Smith; Andrew G. Lee; Paul W. Brazis; Thieme; 3. Auflage (2018)
- The Neuro-Ophthalmology Survival Guide: Anthony Pane; Neil R Miller; Michael Burdon; Elsevier; 2. Auflage (2017)
- EyeWiki Basic Approach to Diplopia