Optikusneuritis

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Überblick gemäss AWMF Leitlinie

Allgemeines

  • = Retrobulbärneuritis, Neuritis nervi optici
  • typische Optikusneuritis ist oft der erste Schub einer Multiplen Sklerose (MS) bei vorher meist gesunden PatientInnen
  • Inzidenz in Mitteleuropa 5 pro 100’000/Jahr

Typische Klinik

  • idiopathisch oder Multiple Sklerose
  • Alter 18 – 45 Jahren, f>m 3:1
  • einseitige leichte bis moderate Visusminderung
    • Verschlechterung innert Stunden bis Tage für 1-2 Wochen, danach Besserung
    • Visus selten <0.1
  • Augenbewegungsschmerzen
  • 2/3 normale Papille, 1/3 Papillenschwellung

Atypische Klinik

  • beidseitig
  • schwere Visusminderung <0.1
  • <18 oder >45 Jahre
  • keine Augenbewegungsschmerzen
  • Sehnervenpapille mit starker Schwellung, Randblutungen, harten Exsudaten, Cotton Wool Spots oder initialer Atrophie
  • keine Besserungstendenz innerhalb von vier Wochen
  • frühes Rezidiv am selben oder am Partnerauge

Andere Symptome

  • reduziertes Farb- und Kontrastsehen
  • periorbitale Schmerzen mit Zunahme bei Augenbewegung
  • keine Diplopie oder andere neurologische Symptome (ausser bei bekannter MS)
  • im Verlauf evtl. Uthoff Phänomen (= Symptomverstärkung durch Wärme/körperliche Anstrengung)
  • bei ca. 30% Auftreten von Phosphenen (Lichtblitze ausgelöst durch Augenbewegungen oder Geräusche)
  • evtl. Pulfrich Phänomen (= Pendelbewegungen scheinen elliptisch)

Diagnostik

  • Visus c.c.
  • Pupillenprüfung (RAPD?)
  • Kontrastsehen (Pelli-Robson), Farbsehen (Rotentsättigung, Ishihara)
  • Gesichtsfeld (kein spezifischer Defekt, jeder Defekt ist möglich)
  • Motilität (schmerzhaft)
  • Spaltlampenuntersuch (unauffällig)
  • Fundusuntersuch (Untersuch in Mydriase nicht zwingend)
    • 2/3 unauffällige Papille, 1/3 leichte Papillenschwellung
    • Makula unauffällig
  • OCT Makula + Papille (typischerweise papillo-makuläres Bündel betroffen, im Verlauf Ausdünnung der RNFL temporal, Abnahme der Ganglienzellen)
  • Pattern-VEP (fakultativ)

Bildgebung

  • MRI Orbita + Schädel + FLAIR-Sequenzen innert 2-3 Tagen
    • Frage nach demyelinisierenden Läsionen
    • aktive Läsionen gut in der T1-Aufnahme mit KM zu sehen, ältere Läsionen in der FLAIR-Aufnahme
    • Sehnerv-Läsionen mit Fettgewebs-Unterdrückung
  • Befunde bei typischer Optikusneuritis
    • periventrikuläre Hyperintensitäten in der weissen Substanz
    • kurzstreckige Läsionen des Sehnervs
  • Befunde bei atypischer Optikusneuritis
    • langstreckiges Enhancement des Sehnervs (> 50% der Länge zwischen Papille und Chiasma)
    • Chiasma-Beteiligung oder posteriorer Anteil des Sehnervs
    • Longitudinal ausgedehnte Rückenmarksläsionen ≥3 Wirbelkörpersegmente (=LETM)

Therapie

  • Steroide (prinzipiell erst nach erfolgter Bildgebung):
    • 1g/d SoluMedrol  i.v. für 3 Tage ab Visusabfall < 0.5/0.6, bei Monokel evtl. schon ab 0.8 evaluieren
    • danach evtl. Spiricort 1mg/Kg KG/d

Verlauf

  • Verlaufskontrollen z.B. nach 2, 4 Wochen, dann individuell
  • keine progrediente Visusverschlechterung nach 2 Wochen mehr zu erwarten, Visusanstieg ab ca. 4 Wochen, evtl. auch schnellere Erholung möglich (je nach Schweregrad)

Vorgehen bei atypischer Optikusneuritis

  • klinisch oder radiologisch atypisch?
  • Ausschluss NMOSD
    • Labor
      • Aquaporin-4-Antikörper (AQP4-AK)
      • Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein-Antikörper (MOG-AK)
    • spinales MRI und Schädel-MRI (falls noch nicht durchgeführt)
  • neurologisches Konsil, ggf. Liquorpunktion, Installation einer Immuntherapie

Differentialdiagnosen

  • Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD)
    • Klassifikation
      • Aquaporin-4-Antikörper (AQP4-AK) – seropositiv (ca. 70%)
      • AQP4-seronegativ (ca. 30%)
      • Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein-Antikörper (MOG-AK) assoziiert
        • ca. 25% der AQP4-negativen Fälle
    • oft schwerwiegende Optikusneuritis, die ohne Therapie oft zu einer Erblindung führt
    • oft andere Autoimmunerkrankung bekannt
    • Symptome:
      • akute oder subakute schwere Visusminderung (<0.1)
      • einseitig, beidseitig gleichzeitig oder hintereinander
      • transverse Myelitis
    • Diagnostik: AQP4-AK, MOG-AK, MRI Schädel und Wirbelsäule
    • Therapie: im Akutstadium Steroide i.v.
    • als Prophylaxe Rituximab/Azathioprin/Mycophenolate mofetil
  • andere

Quellen