Esotropie

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Akkommodative Esotropie

  • Beginn meist zwischen dem 6. Lebensmonat und dem 7. Lebensjahr (am häufigsten um das 3. Lebensjahr)

Refraktive akkommodative Esotropie

  • AC/A-Ratio normal; Esotropie ist eine physiologische Antwort auf eine exzessive Hyperopie (meist zwischen +2 und +7dpt.)
  • Vollakkommodative Esotropie: Esotropie verschwindet nach der optischen Korrektur der Hyperopie
  • partielle akkommodative Esotropie: Partielle Reduktion der Esotropie nach Korrektur der Hyperopie

Nichtrefraktive akkommodative Esotropie

  • mit Konvergenzexzess: hohe AC/A-Ratio durch verstärkte akkommodative Konvergenz (die Akkommodation ist normal, die Konvergenz verstärkt). Normaler Nahpunkt der Akkommodation, Esotropie in der Nähe meist mit Suppression, Parallelstand der Augen mit BES in die Ferne. Parallelstand der Augen durch Bifokalgläser.
  • mit Akkommodationsschwäche = hypoakkommodativer Konvergenzexzess: hohe AC/C-Ratio durch verminderte Akkommodation (schwache Akkommodation, dadurch vermehrte Anstrengung, die zu einer starken Konvergenz führt). Entfernter Nahpunkt der Akkommodation, Esotropie in der Nähe meist mit Suppression, Parallelstand der Augen mit BES in die Ferne
  • Therapie: Korrektur des Refraktionsfehlers, ev. Bifokalbrillen, ev. Operation

 

Nicht akkommodative Esotropie

Frühkindliches Innenschielen

  • Allgemeines
    • (= essentielle/ infantile/ kongenitale Esotropie; ist eine idiopathische Esotropie)
    • Familienanamnese bezüglich Strabismus häufig
    • gehäufte Inzidenz bei Cerebralparese und Hydrocephalus
    • nach dem 4. Lebensmonat ist eine Esotropie anomal
    • entwickelt sich innerhalb der ersten 6 Lebensmonate bei einem sonst gesunden Kind (ohne signifikanten Refraktionsfehler und ohne Einschränkungen der Augenbeweglichkeit), ev. leichte Hyperopie
    • Schielwinkel ist meist recht gross (>30 Prismen-Dpt.) und stabil
    • Fixation alterniert meist in der Primärposition
    • gekreuzte Fixation
  • Assoziationen
    • Nystagmus latens: wenn ein Auge abgedeckt wird, schlägt die schnelle Phase zur Seite des fixierenden Auges (Nystagmus tritt in beiden Augen auf). CAVE:  binokularer Visus besser als monokularer! Bei Auftreten des Nystagmus bei beidseits offenen Augen = manifester latenter Nystagmus.
      • DD: Nystagmus blockade syndrome: Überakkommodation resultierend in einer Esotropie, um den Nystagmus zu dämpfen, da der Nullpunkt des latenten Nystagmus in Adduktion liegt
    • Überfunktion des M. obliquus inferior (= Strabismus Sursoadduktorius; CAVE: der Begriff wird nur bei konkomitierender Störung gebraucht, nicht bei Trochlearisparesen) in ca. 70% der Fälle, meist ab dem 2. Lebensjahr
    • dissoziierte Vertikaldeviation (DVD) entwickelt sich in 80% der Fälle im Alter von 3 Jahren
    • Asymmetrie des monokularen optokinetischen Nystagmus
  • Befunde
    • normaler Kopfimpulstest -> mögliche Abduktion –> Ausschluss Abducensparese!
    • keine synkinetischen Lidbewegungen bei Seitblick –>  Ausschluss Duane Syndrom
    • keine relevanten Refraktionsfehler –> Ausschluss akkommodative Komponente; auch leichte Hyperopien korrigieren
  • Therapie
    • allfällige Amblyopie-Therapie VOR einer Operation
    • Operation in der Schweiz erst im Vorschul-/ Schulalter empfohlen (da Potential für binokulare Fusion bzw. Funktion eingeschränkt)

Mikrostrabismus

  • primär oder sekundär nach der Operation eines grossen Schielwinkels
  • häufig mit anderen Veränderungen, wie einer Amblyopie bei Anisometropie assoziiert
  • sehr kleiner Schielwinkel eines manifesten Strabismus von 8 Prismen-dpt. oder weniger
  • zentrales Suppressionsskotom im schielenden Auge
  • anomale Netzhautkorrespondenz mit reduzierter Stereopsis
  • Symptome sind selten, wenn keine dekompensierende Heterophorie besteht
  • Therapie: ggf. Korrektur der Refraktionsfehler und Okklusion zur Behandlung der Amblyopie

Esotropie in der Nähe

  • = nichtakkommodativer Konvergenzexzess/ Konvergenzspasmus
  • meist ältere Kinder und junge Erwachsene ohne signifikante Refraktionsfehler
  • Orthotropie oder kleine Esophorie mit BES in die Ferne
  • Esotropie in der Nähe, aber eine normale oder geringe AC/A-Ratio
  • normaler Nahpunkt der Akkommodation
  • Therapie: bilaterale Rectus-medialis-Rücklagerungen

Esotropie in die Ferne

  • Divergenzinsuffizienz
    • gesunde, häufig myope, junge Erwachsene
    • intermittierende oder konstante Esotropie in die Ferne mit minimalem oder keinem Schielwinkel in der Nähe (Esotropie in die Ferne mindestens 10 Prismendioptrien mehr als in die Nähe)
    • normale bilaterale Abduktion
    • die fusionalen Divergenzamplituden können vermindert sein
    • keine neurologische Erkrankung
    • Therapie: Prismen bis zur spontanen Heilung oder Operation in persistierenden Fällen
  • Divergenzparalyse
    • seltenes Leiden mit einer neurologischen Begleiterkrankung (z.B. intrakranielle Raumforderung, zerebrovaskulärer Insult, Kopftrauma)
    • sie ist primär eine konkomitante Esodeviation mit verminderten oder fehlenden Divergenzfusionsamplituden (schwierig von einer Abducensparese zu unterscheiden)
    • Therapie: Prismen

Dekompensierende / dekompensierte Esophorie

  • Zusammenbruch der fusionalen Divergenz
  • tritt oft nach Krankheit, emotionalem Stress, Trauma auf

Normosensorisches Spätschielen

  • Allgemeines
    • Schielbeginn nach Abschluss der Entwicklung des Binokularsehens, nach dem 3. Lebensjahr
    • Befunde: plötzlicher Beginn mit Diplopie und Esotropie, normale Augenbeweglichkeit, typischerweise Zukneifen eines Auges
    • meist kein signifikanter Refraktionsfehler, bei Erstvorstellung meist keine ausgeprägte Amblyopie
    • CAVE: eine Abduzensparese muss ausgeschlossen werden!
  • Therapie
    • Refraktionsausgleich
    • falls eine Ambylopie besteht -> Okklusionstherapie
    • Prismenausgleich oder Operation möglichst innerhalb eines halben Jahres, um die Fähigkeit zum Binokularsehen nicht zu verlieren

Sekundäre (sensorische) Esotropie

  • durch einseitige Reduktion der Sehschärfe

Konsekutive Esotropie

  • nach der chirurgischen Überkorrektur einer Exodeviation

Zyklische Esotropie

  • Wechsel zwischen manifester Esotropie mit Suppression und BES, beides hält jeweils für 24h an und kann Monate oder Jahre bestehen bleiben

Esotropie bei hoher Myopie

  • bei Instabilität der Muskelpulleys

Nahreflexspasmus

  • ist ein funktionelles Leiden, betrifft v.a. Frauen, kann Pat. jedes Alters betreffen
  • Befunde: Diplopie, Verschwommensehen und Kopfschmerzen sind mit Esotropie, Pseudomyopie und Miose (Schlüssel zur Diagnose!) verbunden
  • Therapie: auslösende Tätigkeit versuchen zu vermeiden, ev. Atropin und volle Nahkorrektur

Differentialdiagnosen

  • Abducensparese
  • Duane-Retraktions-Syndrom Typ I
  • Möbius-Syndrom
  • restriktive Muskelkrankheiten

Quellen

  • EyeWiki Esotropia
  • The Wills Eye Manual: Office and Emergency Room Diagnosis and Treatment of Eye Disease; Nika Bagheri MD, Brynn Wajda MD, et al; Lippincott Williams&Wilkins; 7. Auflage (2016)
  • Kanski’s Clinical Ophthalmology: A Systematic Approach; Jack J. Kanski MD, Brad Bowling MD; Saunders Ltd.; 8. Auflage (2015)